Saint-Émilion ist UNESCO-Weltkulturerbe und durch seine malerische Silhouette mit der einmaligen, in den Kalkstein geschlagenen Felsenkirche auch ein Touristenmagnet. Doch auch die Weinkultur steht auf hohem Niveau. Nach der neuesten Klassifikation von 2012 stehen vier Güter an der Spitze der Qualitätspyramide („Premier Grand Cru Classé A“): Die Châteaux Ausone und Cheval blanc, sowie – neu – auch Angelus und Pavie. Weitere 14 Châteaux bekleiden den Rang eines Premier Grand Cru Classé B: Château Beau-Séjour Bécot, Château Beauséjour Duffau-Lagarrosse, Château Belair-Monange (vereint mit den vormaligen Rebflächen von Magdelaine), Château Canon, Château Canon la Gaffelière, Château Figeac, Clos Fourtet, Château La Gaffelière, Château Larcis Ducasse, La Mondotte, Château Pavie-Macquin, Château Troplong Mondot, Château Trottevieille, Château Valandraud. Um die Klassifikation, die in Saint-Émilion etwa einmal pro Dekade überarbeitet wird, waren im letzten Jahrzehnt langwierige Rechtsstreitigkeiten entstanden, und die Diskussionen reißen auch nach dem Erlass der Liste von 2012 nicht ab. 64 Güter dürfen sich Grand Cru Classé nennen, und praktisch jedes Château hat Anrecht auf die Bezeichnung Grand Cru.
Der Weinqualität tun die Händel glücklicherweise keinen Abbruch. Dabei gibt es den typischen Saint-Emilion eher nicht. Vielmehr gibt es mindestens drei verschiedene Typen von Saint Émilion: Erstens gibt es Weine wie diejenigen der Châteaux Belair Monange, La Mondotte, Troplong Mondot und La Serre – um nur einige zu nennen –, die auf dem Kalkplateau mit seiner mageren Bodenauflage wachsen: Ihnen ist eine ungemeine Frische zueigen, dies gepaart mit der Kraft vollreifen Merlots. Die zweite Gruppe umfasst die Weine der Côtes, also jene, die an Abhängen mit lehmig gebundenem verwittertem Kalk wachsen – sie haben Fülle und erlangen im Alter eine weiche Opulenz (beispielhaft Pavie). Weiterhin gibt es eine dritte Gruppe von Weinen, die an der Grenze zu Pomerol auf kiesigen Böden gedeiht. Châteaux wie Cheval blanc und Figeac betonen dann auch stärker die Cabernet-Sorten und bringen sehnige Weine von unvergleichlicher Eleganz hervor.
Daneben exisitieren aber auch zahlreiche Mischformen: Güter wie Ausone, La Gaffelière und Tertre Rôteboeuf beispielsweise haben Reben sowohl auf dem Plateau, als auch an den Côtes, wieder andere, wie etwa Trottevieille, das auf dem plateau calcaire liegt, betonen trotz der Abwesenheit von Kies den Cabernet Franc.
Die stilistische Vielfalt hat den Vorzug, dass jeder Weinfreund in Saint Émilion einen Wein nach seinem Geschmack finden kann. In puncto Reifevermögen unterscheiden sich die verschiedenen Typen Saint-Emilion übrigens kaum: Zwar gilt der Saint Émilion grundsätzlich als Wein, der schon früh zugänglich ist. Doch auch hier gilt, dass sich die guten Crus erst nach dem zehnten oder fünfzehnten Lebensjahr voll entfalten. Sofern sie nicht sehr alt sind – 30 Jahre oder älter – profitieren die Weine sehr von ein, zwei Stunden Belüftung in einer Karaffe.