Wie schon beim 2006er Jahrgang fuhren wir mit gemischten Gefühlen nach Bordeaux - die Erwartungen an den 2007er Jahrgang waren aufgrund der vorliegenden Informationen aus der einschlägigen Presse niedrig. Obwohl wir bei den Verkostungen teilweise positiv überrascht wurden, wird der 2007er Jahrgang höchstens aufgrund seiner Sauternes in die Geschichtsbücher eingehen.
Bei den Rotweinen konnten natürlich die „üblichen Verdächtigen“ überzeugen und zumindest harmonische Weine mit einer ordentlichen Primärfrucht präsentieren. Mit der Preisstellung wird sich entscheiden, ob man in 2007 dabei sein „muss“.
Der Schlüssel für einen guten Wein im schwierigen 2007er Jahrgang war die richtige Weinbergsarbeit im Laufe der Monate April und Mai! Mit den ersten Knospen im Pomerol zeichnete sich bereits am 14.03.07 ab, dass mit einer sehr langen Vegetationsperiode zu rechnen war - aber damit, dass die Trauben insgesamt 140 Tage hängen würden (normal sind 110 Tage), hatte natürlich zu diesem Zeitpunkt keiner gerechnet.
Aufgrund des relativ warmen April begann vielerorts Mehltau aufzutreten. Dieser Pilz befällt vor allem an heißen Tagen mit kühlen Nächten die noch grünen Teile der Rebstöcke. Nur wer jetzt kompromisslos reagierte und die befallenen Trauben rigoros abschnitt, konnte mit den daraus resultierenden geringen Erträgen die Weichen für einen homogenen Wein stellen.
In den darauf folgenden Monaten wollte bei den Winzern auch nicht recht Freude aufkommen. Obwohl in den Monaten Mai, Juni und Juli die Temperaturen und Niederschläge nicht so drastisch von den Normalwerten abwichen, fehlte es an einer anderen wichtigen Komponente: der Sonne! Im Mai (-14,6%), Juni (-11,3%) und Juli (-11,9% ) konnte daher die Photosynthese nur wenig zum weiteren Wachstum beitragen. Vgl. Tabelle am Ende.
Gemäß dem alten Sprichwort in Bordeaux „…macht der August den Most…“ – aber nicht so in 2007! Während in der zweiten August-Hälfte die Griechen gegen ein fürchterliches Feuer-Inferno kämpften, mussten die Bordelaiser vermehrt den Scheibenwischer an ihren Autos betätigen.
Die Trauben waren mittlerweile prall gefüllt und drohten zu platzen. Dann kam endlich der 30. August und rettete die Winzer wenigstens vor dem totalen Desaster. Ein wunderbares Hoch über Europa sorgte für einen „Indian Summer“ wie aus dem Bilderbuch. Im September konnten 25% mehr Sonnenstunden und im Oktober sogar 25,8% mehr Sonnenstunden gemessen werden als im langjährigen Durchschnitt.
Jetzt galt es Ruhe zu bewahren und den richtigen Erntezeitpunkt zu wählen. Obwohl die Analysewerte die Reife der Trauben bescheinigte, galt es abzuwarten und die restlichen Sonnenstrahlen auszunutzen und damit den richtigen Zeitpunkt für die Lese zu finden. Die „alten Hasen“ stützen sich neben den wissenschaftlichen Analysewerten vor allem auf die eigene sensorische Prüfung, um den richtigen Zeitpunkt zu finden.
Die meisten Merlots wurden zwischen Ende September und Anfang Oktober gelesen, und im Anschluss begann die Lese des Cabernets. Wer das ganze Jahr über die richtigen Entscheidungen getroffen hatte, konnte sich dann in der zweiten Oktoberhälfte über eine für den Jahrgang ordentliche Traubenqualität aus gesundem Lesegut freuen.
Für die Winzer aus dem Barsac bzw. Sauternes spielte ebenfalls der „Indian Summer“ eine große Rolle. Während in sehr guten Jahrgängen wie 2003 die Boytritis auf bereits perfekt ausgereiftes Traubematerial trifft und dann den Trauben nochmals gehörig auf die Sprünge hilft, ist der 2007er Sauternes eher durch seine Noblesse geprägt.
Verstehen wir uns nicht falsch - die Boytritis ist da, die Weine haben eine rassige und finessenreiche Süße, der Alkoholgehalt ist dabei nicht exorbitant hoch – dafür aber der Zuckergehalt: 130 bis 140g sind keine Seltenheit. Die Boytritis ist sehr prägnant, die Säure ist bestens eingebunden, und die Weine bestechen mit einer gewissen Unbeschwertheit, ohne dabei ihren Charakter zu verraten. Kurzum: Unserer Einschätzung nach ein echt großer Sauternes Jahrgang, den man wie den 97er oder 03er einlagern sollte. Bestes Indiz war der Stolz und die ungemeine Freude, mit der uns die Châteauxbesitzer aus dem Sauternes ihre Weine präsentierten. Während man als „normaler“ Winzer schon den Launen der Natur ausgesetzt ist, muss der Winzer, der ausschließlich auf edelsüße Weine setzt, schon ein äußerst „dickes Fell“ haben.
Resümee:
Wenn diese Zeilen entstehen, stehen leider erst wenige Preise fest. Aber eins ist schon jetzt klar: Die Qualität des 2007er Jahrgangs kann den Weine aus 2005, 2003 oder 2000 nicht das Wasser reichen. Didier Cuvelier (Château Leville Poyferre) vergleicht den 2007er Jahrgang unter qualitativen Gesichtspunkten eher mit dem 1999er Jahrgang.
So muss man sich bei der Preisgestellung immer vor Augen führen, dass damit zu rechnen ist, dass es den üblichen Verdächtigen (Premier Crus, Super Seconds etc.) gelingen wird, in einem Jahr einen recht ordentlichen Wein auf die Flasche zu bringen - dieser aber von keinem Sammler der Welt „en masse“ eingekauft wird. Insofern entscheidet der Preis über den Erfolg der Subskriptionskampagne, und nur, wenn es sehr deutliche Preisabschläge zum 2006er Jahrgang gibt, sollte man hier und da etwas kaufen. Unter Umständen spielen die momentanen Wechselkurse zum USD und GBP eine Rolle, da sich für diese Märkte allein der Wechselkurs um +/- 15% verteuert hat. Damit also in diesen nicht unbedeutenden Märkten „echte“ Preisabschläge ankommen, müssen die Preise mindestens um 20% reduziert werden.